Hambach

ein Beitrag von Preisträger von Axel Krause

Mein von Zeitverschiebung leicht vernebeltes Hirn beginnt sich nun am Tag zwei nach der Heimkehr aus der Neuen Welt zu lichten! Turbulente Ereignisse von heftigem Auf und Ab, sowie der hastige Aufbruch der lang geplanten Reise zu meinem Sohn und den Orten des geschätzten Meisters Edward Hopper, markierten die Tage vor dem Flug. Feierliche Momente beim betreten des Geburtshauses und die Entdeckung des Sommerateliers auf Cape Cod, sowie die schönen und erbaulichen Augenblicke gemeinsam mit meinem Sohn beim Erkunden von Cornell, ließen mich zeitweilig deutsche Missverständnisse vergessen. Doch nun kehren die kraztbürstigen wie auch freundliche Begebenheiten, in Form von zahlreichen elektronischen Benachrichtigungen, Briefen und einem Päckchen zurück! In letzterem erhielt ich das offizielle Schreiben zum Preis für Bürgersinn und Zivilcourage 2019 vom Organisationsbüro des Neuen Hambacher Festes, sorgsam gerahmt – was für eine Ehre! Und manchmal frage ich mich, wie kann das sein? Habe ich doch nur das getan, was mir mein Querkopf bockig auftrug, entgegen landläufiger Vernunft, wie viele sie verstehen!

Axel Krause

Einer meiner Filmhelden ist Forrest Gump. Die Parallelen zwischen mir und dieser Figur sind freilich lückenhaft, denn ich fange keine Shrimps, bin kein Kriegsheld, spiele weniger gut Tischtennis und habe auch keine Millionen auf meinem Konto. Auch wenn ich kein Intellektueller bin, liegt mein IQ vermutlich ein gerüttelt Maß über 75 und meiner Liebsten ist das Schicksal etwas gnädiger, als das der Jenny. Doch manchmal stecke ich fest, in einem Lebensgefühl, wo ich denke, alle wissen wie es geht, was an der Reihe ist und wie man es anpacken muss um dem Zeitgeist zu entsprechen – ich leider nicht! Dann fühle ich mich so, wie eben dieser Protagonist sich dem Zuschauer darstellt, etwas hilflos , steif und selbstbehindert, abgeschnitten vom Hauptstrom der Mehrheit. Einziger Ausweg aus dem Unbehagen, ist die Orientierung an einem magischen, innerer Leitfaden, der offensichtlich wenig mit der Außenwelt zu tun hat. Einen ebensolchen inneren Kompass führt den Titelhelden auf rätselhafte Weise, mit gelegentlichen Niederlagen, sehr erfolgreich durch mehrere Jahrzehnte amerikanische Landesgeschichte, während die Gesellschaft mit den jeweiligen, scheinbar vernünftig handelnden, Vertretern von einem Verhängnis zum nächsten taumelt. Ein Filmspaß mit unverhoffter Tiefe!

Der Abendgruß, 2014

Der Filmfigur ähnlich, treiben mich Eigensinn und Verschrobenheit zu Handlungen, die so mancher meiner Mitmenschen vernünftigerweise unterlassen würde. Anders als bei Gump, ist es mitunter auch die pure Lust am Widerspruch. Nicht selten bringt das Ungemach, doch oft auch unverhofften Erkenntnisgewinn, neue Freunde und Weggefährten und nicht voraussehbare, beglückende Momente, wie eben auch beim Filmhelden. Einer von diesen beglückenden Momenten war jener beim Neuen Hambacher Fest! Ich glaube, ich darf davon ausgehen, dass dieser Preis mich nicht ganz zufällig erreichte. Auf verwunderlichen Wegen traf meine Widerborstigkeit gegenüber dem Kurs der Landesoberen und den daraus resultierenden Widrigkeiten, den Nerv und die Solidarität von sehr vielen Menschen! Das war so nicht geplant und hat in seiner Wirkung für mich immer noch etwas Zauberhaftes! Dafür bin ich dankbar und froh, denn es vermittelt mir das Gefühl, in meinem Wollen nicht allein zu sein!

Ich bin kein Politiker sonder lediglich ein Bürger dieses Landes und natürlich – Künstler. Die meiner künstlerischen Arbeit zugrundeliegende Maxime ist weitestgehende Zweckfreiheit als Ausgangspunkt meines Handelns. Freilich dies immer nur in Anteilen, denn ich lebe in einer von Materialität geprägten Welt und unterliege vielerlei Sachzwängen. Doch Zweckfreiheit ist die Art der Orientierung, in welcher sich nach meinem Dafürhalten wirkliche Freiheit gründet, die einzig mögliche – die innere Freiheit. Zweckfreiheit dient dem inneren Kompass, wenn es darum geht, sich wahrzunehmen und die Welt anzuschauen, um dann das eigene, authentische Weltbild mit dem entsprechenden Wissen, der eigenen Kreativität und der notwendigen Verantwortlichkeit gemeinsam mit Verbündeten umzusetzen. Sie ist ebenso Ausgangspunkt zur Wiedererlangung von verloren gegangener Identität. Zu werden, der man ist, halte ich für eine wichtige Lebensaufgabe! Nur so kann man herausfinden was man will und auf welchen Wegen man seine Ziele erreicht. Identität gründet sich natürlicherweise auf dem was vor mir war, was ich im Jetzt gestalte und dem was ich weitergebe. Es ist das Konzentrat dessen, was mich als Individuum ausmacht, der Kern meiner Persönlichkeit, der unabhängig von wechselnden Moden, Erziehungsprogrammen und Ideologien in mir existent ist. Ihm ist etwas Unveränderbares eigen sowie etwas sich Entwickelndes und Einlassendes. Manches davon ist schön und manches sieht nicht so gut aus, doch ist man gut beraten, sich irgendwann mit sich auszusöhnen. Wir sind endlich und wir sind begrenzt, jedoch gibt es unendlich viele Gestaltungsmöglichkeiten dessen was und wer wir sind!

Das Messer, 2016

Dem gegenüber und mit Identität leicht zu verwechseln sind die zu allen Zeiten angebotenen Spielarten der Identifikation in Form von verschiedensten Ismen, Ideologien, Religionen oder Lifestyles. Wir sind umso leichter verführbar und in Gefahr Manipulationen zu erliegen, je weniger Kontakt wir zu jenem inneren Kompass haben. Geistes- und naturwissenschaftliches Verständnis, Bildung in Sprachen, Geschichte, Politik, Ökonomie, Literatur, Musik und Kunst sind hohe Güter und bieten zweifelsfrei Hilfe bei der Entdeckung und Entwicklung der eigenen Möglichkeiten und der Verwirklichung unserer Ziele. Doch sie ersetzen nicht die notwendige grundlegende Erkenntnis darüber, wer wir sind, was wir wollen und wie wir es zu erreichen gedenken. Es sind, in meinen Augen, die wesentlichen Fragen jedes Einzelnen, wie auch der Gemeinschaft oder auch anders gesagt, die grundlegenden Fragen eines Volkes auf dem Weg zu seiner wiederzugewinnenden Identität. Diesen Fragen sowie deren individuelle Beantwortung auf verschiedenste Weise einen Platz zu geben, sehe ich in der Tradition des Neuen Hambacher Festes! Ich bin froh und dankbar, dass es mir möglich war, an diesem teilhaben zu dürfen und hoffe darauf, dass ihm weitere folgen!

Vita Axel Krause

1958           am 23. Oktober in Halle an der Saale geboren

1981 – 86   Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Fachrichtung Malerei bei Volker Stelzmann, Dietrich Burger und Arno Rink

1990 – 93   Theatermaler an der Oper Leipzig

1994 – 96   Aufbaustudium Kunsttherapie an der Hochschule für Bildende Kunst Dresden

1989 – 99   Lehrauftrag an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Abteilung Abendakademie, Fachrichtung Malerei, figürliches Zeichnen, Akt